Website-Icon Mental Blog

Der Dunning-Kruger-Effekt: Die verfehlte Kompetenz

Mann steht vor Spiegel und sieht König

Kennst du das, wenn du mit jemandem über ein Thema sprichst bzw. diskutierst und du das Gefühl hast, dass dein Gegenüber sehr überzeugt vom eigenen Wissen ist obwohl dessen Argumentation absurd klingt? Zugleich versuchst du mit eigenen Argumenten und Fakten zu überzeugen und diese werden dann jedoch als unwissend abgeschmettert? Möglicherweise ist dein Gegenüber dem Dunning-Kruger Effekt verfallen. Das ist ein psychologischer Mechanismus, welcher Inkompetente Personen glauben lässt, dass sie selbst kompetenter sind als alle Anderen. In diesem Beitrag gehe ich auf die psychologischen Grundlagen, ausgehend von der Originalstudie von Dunning & Kruger (1999), des Phänomens Dunning-Kruger-Effekt ein. Immerhin ist diese Thematik vor allem in Coronazeiten sehr brisant.

Hybris: Die gottesähnliche Überheblichkeit in der griechischen Antike

Kennst du Ikarus? Ikarus war eine Figur aus der griechischen Mythologie, welche Flügel hatte welche wiederum mit Wachs befestigt waren. Damit konnte er schließlich fliegen. Entgegen allen Warnungen, eines Tages wollte er hoch zu den Göttern – zur Sonne – fliegen. Dabei kam er der Sonne zu nahe und das Wachs seiner Flügel schmolz in großer Höhe so dahin. Daran starb er.

Umgedeutet auf den Menschen spiegelt dies auch die Gefahr der Überheblichkeit, welcher eine Personen ausgesetzt sein kann ohne dies selbst mitzubekommen. Somit kann es auch passieren, dass ein fehleingeschätztes Selbstbild auch zu einer Fehleinschätzung der eigenen Kompetenzen führt.

Eine solche Fehleinschätzung der eigenen Kompetenzen passiert kurioserweise besonders in Bereichen, in welcher wir nur über schwach ausgeprägte Fähigkeiten verfügen. Beispiele in der Alltagspraxis gibt es genug:

Der Teufelskreis beim Dunning-Kruger-Effekt

Das korrekte Einschätzen der eigenen Fähigkeiten erfordert auch entsprechende Kompetenzen zur eigenen Fähigkeitseinschätzung: Sogenannte metakognitive Fähigkeiten zur Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenzen. Das Dilemma welches der Dunning-Kruger-Effekt nun beschreibt ist, dass genau jenen Personen, welche als inkompetent einzustufen sind, die Fähigkeit zur Selbst-Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen nun fehlt. Und dies führt folgend zu einer aufgeblasenen Einschätzung der eigenen Kompetenzen.

Paradoxerweise fehlt es ausgerechnet den Leistungsschwachen an der notwendigen Expertise um den eigenen Fehler einzusehen. Die psychologische Logik dahinter ist jene, dass genau dieser Mangel zur fehlenden Selbsteinsicht führt. Mit einfachen Worten: wie soll jemand erkennen, dass er/sie falsch liegt, wenn schlicht das Können zur korrekten Einschätzung fehlt.

Das Fazit zum Dunning-Kruger-Effekt

  1. Unbewusste Inkompetenzen: Weniger kompetenten / Inkompetenten Personen fehlt die metakognitive Kompetenz zur realistischen Selbsteinschätzung
  2. Aufgeblasene Kompetenzen: Menschen welche diesem Effekt unterliegen, überhöhen die Einschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten in einem unangemessenen Ausmaß
  3. Die inkompetenten Anderen: Selbst liegt man scheinbar richtig, die anderen womöglich falsch. Dies führt zu einer Fehleinschätzung bzw. unangemessenen Reduktion der Kompetenzen/Intelligenz Anderer.
  4. Die Inkompetenzfalle: Durch das fehlende Bewusstsein über die eigene Inkompetenz bzw. der künstlichen Kompetenzerhöhung fehlt auch der Bedarf an Weiterbildung wodurch die tatsächliche Kompetenz gesteigert werden könnte.

Das Weiterbildungsdilemma

Die fehlende Motivation sich weiterzubilden führt folgend zu einem Teufelskreis der Inkompetenz. Doch sind nun inkompetente Personen, welche dem Dunning-Kruger-Effekt unterliegen diesem Teufelskreis hilflos ausgeliefert? Nein! Denn Dunning & Kruger zeigten in ihren Studien auch, dass durch das Training von Kompetenzen auch die metakognitive Fähigkeit zur Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenzen steigt. Ein wichtiger Baustein ist dabei auch ein adäquates Feedback. Richtiges und einfühlsames Feedback ist dahingehend wichtig, damit sich die inkompetente Person nicht “schlecht behandelt” fühlt und sich abwendet. Schließlich soll Bildung und damit verbundene Trainingsmaßnahmen ja den gemeinsamen Diskurs fördern und nicht voneinander abspalten.

Grafikquelle: Wiki

Der Dunning-Kruger-Effekt und der (narzisstische) Selbstwert

Der Dunning-Kruger-Effekt ist nicht ausschließlich auf einen Mangel an Expertise zurückzuführen. Klar ist, ein hoch ausgeprägter Narzissmus geht auch mit einem überhöhten Selbstbild einher. Denn neben der Persönlichkeitsstruktur sind hierzu auch besonders die persönlichen Interessen von Bedeutung. Denn jemand der ein großes Interesse an einem Thema bzw. Hobby hat, schreibt sich auch rasch hohe Kompetenzen in diesem Bereich zu. Z.b. sieht sich der Hobbygärtner als Botaniker. Der Fußballfan als besser Teamchef für das Nationalteam. Und der medienbewusste Coronakritiker (Schrägstrich “Querdenker”) als besserer Virologe als jemand der bereits 20 Jahre lang professionell in diesem Bereich arbeitet – ohne an dieser Stelle Namen zu nennen.

Dunning-Kruger-Effekt: Auch der narzisstische Selbstwert spielt eine Rolle bei der Überhöhung der eigenen Kompetenzen

Doch sind diese Leute mit dem Dunning-Kruger-Mechanismus böse oder besserwisserisch? Jein, eher nein. Denn nüchtern betrachtet ist dieser Effekt logisch und dient dem Selbstschutz. Vor allem dann wenn man sich aus einem Interesse heraus gerne als ein Experte für ein beliebiges Thema sehen möchte (z.B. Fußball, Virologie, Politik,…), dann wäre es ja dem eigenen Selbstwert undienlich, würde man die eigene Unzulänglichkeit erkennen. Ein Selbstwerttraining wäre an dieser Stelle ein sinnvoller Ansatz.

Was hat der Dunning-Kruger Effekt mit Corona zu tun?

Umgelegt auf die Coronasituation bedeutet, dass sich z.B. Personen mit begrenzten mathematischen Fähigkeiten kritisch über epidemiologische Einschätzungen äußern. Kritik schön und gut, doch zunächst geht es mal darum eine exponentielle Funktion zu begreifen. Viele andere – teils berechtigte – Kritikpunkte sind dahingehend oft sekundär.

“Ein mehr an Informationen,
führt nicht automatisch zur Generierung von mehr Wissen!”
(Mario Schuster, Psychologe)

Ich persönlich versuche mittlerweile mein Umfeld nicht mehr von der “Wahrheit” zu überzeugen, sondern vielmehr als Mitmensch zu begegnen. Doch gelegentlich passiert es auch mir, dass ich in Diskussionen verwickelt werde, in welchem ich mit teilweise absurden (z.B. Bill Gates- Nanochips in Impfstoffen; diese werden ja auch auf -70 Grad Celsius abgekühlt ) und teilweise auch sinnvollen Argumentationen (jedoch unter Ausgrenzung der Hauptargumente von Maßnahmen) konfrontiert werde. Dabei komme ich stets auf die Problematik des exponentiellen Wachstums zurück, da ich finde, dass zunächst hier Klarheit bei den Diskussionspersonen hinsichtlich der Kernargumente herrschen muss, bevor zu den “Detailfragen” übergegangen wird.

Das zusätzliche psychologische Problem beim exponentiellen Wachstum ist folgendes: Es kann von unserem Kognitionsapparat (Neocortex) nicht intuitiv korrekt prognostiziert werden. Daher braucht es besonders an dieser Stelle ein mathematisches Grundverständnis der Exponential-Problematik (ich nenne es mal Exponentialkompetenz 😉 ). Und wenn dieses Verständnis nicht vorhanden ist, kann auch die Coronapandemieproblematik nicht seriös begriffen werden. Dieses Nicht-Verständnis kann zu einem wahrgenommenen Kontrollverlust (= psychischer Stress) führen. Die Folge ist brisant & mittlerweile gesellschaftlich sichtbar: Um die subjektive Kontrolle wieder zurückzuerlangen werden eigene Erklärungsmodelle der Corona-Gesamtsituation gebildet. Und da das fehlende Methodenwissen der Wissenserschaffung (dieses wird vor allem auf Universitäten auf unterschiedlich hohem Niveau gelehrt) fehlt, sind die daraus entstandenen Erklärungsmodelle nicht nur absurd, sondern auch auf geistigem Treibsand gebaut. Laut schreien und das penentrante Schreiben mit der Feststelltaste machen die teils bizarren Behauptungen auch nicht richtiger.

Und nun kommt noch ein weiterer Aspekt zum Tragen: Versuche doch mal dem querdenkerischen Argumentationspartner sachlich mit Fakten zu begegnen! Bleib dran! Es wird womöglich nicht lange dauern bis du beleidigt (=argumentum ad hominem) wirst oder dir sogar die Kompetenz abgesprochen wird. Denn wer wirklich eine Ahnung hat wovon er spricht (und auch eine Ambiguitätstoleranz als Persönlichkeitsstärke mitbringt), hat es nicht nötig persönlich untergriffig zu werden.

Raus aus dem Dilemma!

Die Lösung gegen dieses Problem wäre einfach und ist doch recht schwer: Bildung, Bildung, Bildung! Doch nicht nur auf der fachlichen Ebene. Auch auf der Ebene der sozialen Kompetenzen, sowie der Persönlichkeitsentwicklung insbesondere der metakognitiven Fähigkeiten. Denn auch wenn jemand Inkompetent ist, würde es auch helfen, wenn diese Person zumindest über die Fähigkeiten einer realistischen Selbsteinschätzung verfügt und somit auch offen für Bildung und echtem Wissenserwerb (nicht über Desinformations-Seiten im Netz) wird. Um dies zu unterstützen ist auch ein Selbstwerttraining sinnvoll um anderen psychologischen Abwehrmechanismen (z.B. kognitive Dissonanz) präventiv entgegenzuwirken.

Doch das sind bloß Vorschläge meinerseits und auch nur ein Ausschnitt an möglichen Interventionsmaßnahmen (z.B. Aufklärungskampagnen gegen Fake-News). Die Wahrheit scheint in Wirklichkeit wohl weitaus komplexer als es in diesem Artikel zu beschreiben möglich ist. Doch immerhin basieren meine Schlussfolgerungen auf anerkannten wissenschaftlichen Studien, welche sich auch über Jahre und Jahrzehnte gehalten haben.

Verwendete Literatur:

Kruger, J., & Dunning, D. (1999). Unskilled and unaware of it: How difficulties in recognizing one’s own incompetence lead to inflated self-assessments. Journal Of Personality And Social Psychology, 77(6), 1121-1134. doi: 10.1037/0022-3514.77.6.1121

Luerweg, F. (2020). Selbstbild – Worin wir uns selbst überschätzen. Spektrum. Abgerufen am 1. November 2020 unter: Dunning- Kruger Effekt. https://www.spektrum.de/news/selbstbild-wir-ueberschaetzen-unsere-kompetenzen/1776120?utm_term=Autofeed&utm_medium=Social&utm_source=Twitter#Echobox=1601974170

Neubauer & Hofer (2020). Self-estimates of abilities are a better reflection of individuals’ personality traits than of their abilities and are also strong predictors of professional interests. Personality and Individual Differences. Abgerufen am 1. November unter https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0191886920300404

Die mobile Version verlassen