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Quarantäne und lockdownbedingte Isolation: 10 Tipps zur Psychohygiene

Quarantäne, Lockdowns, Isolation. Eine Erfahrung die viele von uns seit über einem Jahr, also seit dem Beginn der Coronapandemie, durchmachen durften. Die Einen mehr, die Einen weniger. Doch während medizinisches Personal hohen Arbeitsbelastungen oder Menschen in systemrelevanten Berufen ausgesetzt sind, leben andere wiederum in der Parallelwelt der Isolation. Wie neurowissenschaftliche Studien an Mäusen bereits zeigten, führt Isolation zu einem Abbau von Nervenzellen im Gehirn. Dies wurde auch bereits aus quasiexperimentellen Daten bei isolierten Häftlingen beobachtet. In diesem Artikel geht es auch nicht um Einsamkeit, sondern vielmehr um die Psychohygiene in Zeiten von mehrwöchiger Quarantäne und Lockdowns mit Ausgangsbeschränkungen – Kontaktreduktion inclusive.

Psychologische Tipps zur Bewältigung der Isolation zuhause

Eine wochenlange oder sogar monatelange Isolation zuhause kann langfristig so ziemlich zermürben und hat auch Auswirkungen auf die Psyche. Der fehlende soziale Kontakt und auch die fehlenden Reize eines gewohnten Lebensalltags können zu einem Rückgang von Gehirnzellen oder der Entwicklung depressiver Symptome führen.

Positiv betrachtet, steht uns in solch einer Phase sehr viel Zeit zur Verfügung, um persönliche Projekte voranzutreiben oder sich auch online weiterzubilden. Dies wird in der Regeln sehr individuell gestaltet. Und anstatt die Ganze Zeit über nur vor dem rechteckigen Flachbildschirm zu sitzen, habe ich ein paar evidente Tipps für euch, wie ihr auch in Zeiten von Quarantäne und lockdownbedingter Isolation euch selbst etwas Gutes tun könnt.

Tipp 1: Körperlich fit halten

Vor einigen Jahrzehnten, als die damalige Medizin, Bewegung als Gesundheitsfaktor noch ein wenig belächelte, leistete der US-Psychiater John Ratey Pionierarbeit. In mehreren Projekten – unter anderem in Schulen – untersuchte er die positiven Auswirkungen von körperlicher Bewegung auf die schulischen Leistungen. Mit seinen Projekten hatte er einen großen Anteil daran, dass in US Schulen das Thema Sport zur geistigen Leistungssteigerung einen höheren Wert erhalten hat.

Besonders wirksam für die psychische Befindlichkeit und der Gehirnleistung ist Ausdauertraining. Doch auch andere Aktivitätstypen wie Jonglieren oder Krafttraining haben durchaus ihre spezifischen positiven Auswirkungen auf das Gehirn. Doch die Nummer 1 für das Gehirn ist und bleibt Ausdauertraining, also ein Glück für jene, die einen Ergometer zuhause besitzen. Doch es muss ja nicht unbedingt ein Ergometer sein. Auch heimtaugliche Trainings wie Seilspringen oder Hampelmänner können notfalls Abhilfe schaffen.

Tipps 2: Mit Spielen geistig aktiv bleiben

Spiele sind ein weniger passive Freizeitaktivität als TV, Prime oder Netflix. Vor allem wenn man nicht alleine wohnt, sondern mit Partner*in, Familie oder in einer Wohngemeinschaft ist jetzt die beste Zeit für gesellige Brettspiele. Ich persönlich war ja auch schon immer ein Fan von eher komplexeren Gesellschaftsspielen, für die man sich häufig auch Stunden oder sogar Tage Zeit nehmen musste.

Wer alleine in Isolation wohnt kann seinen Geist auch mittels Denksportaufgaben wie Kreuzworträtsel oder Sudoku in Schwung halten. Auch Videospiele sind in dieser außergewöhnlichen und für viele belastenden Zeit zweckmäßig, solange es damit nicht übertrieben wird.

Tipp 3: Ein Musikinstrument lernen

Das Lernen eines Musikinstrumentes gehört für viele Neurobiologen zu den Top 2 der nachhaltigen Gehirnstimulation. Egal ob Klavier, Flöte, Violine oder Gitarre: Durch diese komplexe musikalisch-motorische Gehirnleistung wird eine sogenannte kognitive Reserve aufgebaut. Und wer weiß, vielleicht erweist sich die temporäre Isolation retrospektiv als Segen und du findest durch das späte Lernen eines Musikinstrumentes auch neue Freunde nach der Pandemie.

Hier ein Auszug aus einem Songtext, vielleicht erkennst du das Lied und du lernst es:

Isolation is not good for me
Isolation, I don’t want to
Sit on a lemon tree
I’m steppin’ around in a desert of joy
Maybe anyhow I’ll get another toy
And everything will happen
And you wonder

Tipp 4: Eine Sprache lernen

Quarantäne und Lockdowns sind die tolle Chance eine neue Sprache zu lernen. Anstatt sich mit Verschwörungstheorien abzuplagen und an sich selbst zu verzweifeln, lern doch eine Sprache, die du schon immer lernen wolltest. In Zeiten von Onlineanbietern für das Sprachlernen ist das doch ein Klacks. Und wer weiß, vielleicht findest du ja nach wenigen einen Sprachtandem-Partner auf einem anderen Kontinent um so die subjektiv erlebte Isolation zu Durchbrechen. Übrigens: Eine neue Sprache lernen zählt ebenso wie Musikinstrumente lernen zu den Top 2 der Gehirnstimulation zum Aufbau einer kognitiven Reserve. Und das ist die beste Altersvorsorge für das Gehirn.

Tipp 5: Gesunde Ernährung

Wenn du nach einem Jahr Pandemie noch kein neues Rezept probiert hast, dann ist es spätestens jetzt an der Zeit. Brich heraus aus der Routine des monoton-ungesunden Fraßes und ernähre dich bewusst und gesund. Nachdem du ja nun auch mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbringst, sparst du mit dem Kochen nicht nur Geld, sondern kannst auch bewusster auf regionale und biologische Zutaten setzen. Ich persönlich lasse mittlerweile sogar das Fleisch ganz weg! Lecker! 😉

Tipp 6: Entspannungsübungen statt Isolation

Hast du dir in der Quarantäne eh schon so viel vorgenommen, aber fällst immer wieder in alte Verhaltensmuster? Dann liegt es wohl an deiner mangelhaften Selbststeuerung. Daher wird es Zeit für den wahren RESET: Entspannungstechniken wie Meditation oder Autogenes Training helfen dir dabei deinen Geist zu beruhigen und die Selbstkontrolle über dein eigenes Denken und Verhalten zurückzuerlangen.

Tipp 7: Lesen von Büchern und Magazinen

Falls du ein Streamingnerd oder Nachrichtenjunkie bist, dann solltest du mindestens einen Tag die Woche komplett digital fasten. Also Smartphone, Laptop und PC komplett weglassen. Wenn das aus privaten oder beruflichen Gründen nicht geht, dann lege klare Digitalzeiten fest (z.B. von 13- 16 Uhr). In der restlichen Zeit, kannst du ja endlich die ganzen angesammelten Bücherstapel und abonnierte Magazine durcharbeiten.

So muss es nicht enden! 😉

Tipp 8: Medienkonsum einschränken

Apropos  Nachrichtenjunkie. Die Coronapandemie hat bei der Mehrheit dazu geführt, noch mehr Medien und Nachrichten zu konsumieren, als dies schon zuvor der Fall war. Zudem ist das Wort Corona möglicherweise eines der meistgenannten Wörter der Welt seit einem Jahr. Die Fixierung auf dieses eine Thema und auf die Zahlen, verleitet Viele die Zahlen zu verfolgen. Und dies raubt dir nicht nur deine wertvolle Lebenszeit, sondern kann auch Ängste und Irritationen auslösen. Manche sind sogar so sehr darauf reingekippt, dass die psychischen Beeinträchtigungen zu teils kuriosen Schlussfolgerungen führt.

Die konkreten Tipps:

  • maximal einmal täglich Coronanews checken sollte ausreichen oder phasenweise ganz weglassen –> widme dich vielmehr den Tipps 1 – 7
  • Reduktion von bedrohlichen Medieninhalten
  • Vorsicht vor Gerüchten und Verschwörungstheorien, am besten nicht weiterverfolgen, sondern in seriöse Medien vertrauen
  • Seriösen journalistischen oder wissenschaftlichen Quellen vertrauen, statt “geheime Kanäle” zu abonnieren
  • Vermehrt positive Nachrichten konsumieren

Tipp 9: Alltagsroutine und Rituale schaffen

Aus Studien über Langzeitarbeitslosigkeit weiß man, dass ein Alltag ohne eine Tagesstruktur rasch zur Auflösung der Zeitstruktur führen kann. Dieser Verlust der Zeitstruktur kann dazu führen, dass man sich tagsüber verzettelt und die Erfahrung sinnstiftenden Handelns verlieren kann. Denn Zeit ist dann nichts mehr wert sondern subjektiv unendlich verfügbar, was jedoch ein Trugschluss ist.

Ein deutscher Kabarettist hat vor einiger Zeit sein Publikum gefragt: “Was ist Home Office?“.
Die Antwort: “Ohne Zähneputzen ins Büro gehen!

Das klingt ja lustig, ich konnte zumindest darüber lachen. Kritischer wird es allerdings, wenn dieser Zustand länger andauert und neben den Zähneputzen sogar das Umziehen wegfällt. Denn wer mit dem “Pyjama ins Büro” geht, hat wohl die Kontrolle über seine Tagesstruktur verloren. Und dieser Verlust der Alltagsroutinen und Ritualisierung des Alltags hat auch psychische Folgen. Deshalb: Baue eine Vielzahl an täglichen Routinen in den Alltag, welche nicht aus Bequemlichkeit wegrationalisiert werden.

Tipp 10: Setz dir Tagesziele

Die menschliche Psyche und menschliches Verhalten ist schon etwas irrationales. Allerdings nicht für PsychologInnen, denn diese haben meist eine Erklärung parat: Die Fokussierung auf langfristig geplante Ziele sind häufig noch zu abstrakt und schwer greifbar und führen wohl oder übel zur Prokrastination (=Aufschieberitis). Daher ist es wichtig den Fokus auf kurzfristige Ziele zu lenken. Denn konkrete und durchführbare Handlungen sind für das Gehirn auch besser greifbar und führt auch eher in ein gewolltes Verhalten.

Hast du Tipps?

Nun denn, das war ein Auszug wichtiger psychologischer Tipps und Tricks zur Bewältigung der Isolation. Hat dir etwas Wichtiges gefehlt oder hast du eigene Erfahrungen, welche du mit den LeserInnen teilen möchtest. Dann nur zu, das Kommentarfeld steht dir offen. 🙂

Quellen:

Bauer, J. (2015). Selbststeuerung: Die Wiederentdeckung des freien Willens. München: Blessing

Petzold, M.B., Plag, J. & Ströhle, A. (2020). COVID-19. Pandemie Psychische Belastungen können reduziert werden. Abgerufen am 24. März 2020 unter:  https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=213283

Ratey, J. & Hagerman, E. (2013). Superfaktor Bewegung: Das Beste für Ihr Gehirn! Freiburg: VIK

Mario Schuster

Mario Schuster ist Arbeits- und Sportpsychologe sowie zertifizierter Mentaltrainer im Leistungssport. Zudem ist er ein praxiserfahrener Sportwissenschafter und hat am 1.Jänner 2017 das Unternehmen Mental Synergy gegründet. Mit diesem hat er sich zum Ziel gesetzt, das Training mentaler Kompetenzen in Sport und Wirtschaft zu etablieren.

2 thoughts on “Quarantäne und lockdownbedingte Isolation: 10 Tipps zur Psychohygiene

  • Das Erlernen eines Musikinstruments stärkt nicht nur das Gehirn, sondern verbessert auch viele andere kognitive und physische Aspekte des menschlichen Körpers. Es ist weitgehend erforscht und bewiesen, dass das Erlernen eines Musikinstruments das Gedächtnis verbessert; es verbessert nicht nur das kognitive Gedächtnis, sondern auch das Muskelgedächtnis. also habe ich angefangen, Kalimba und Gitarre zu lernen. Ich bin so glücklich und danke Ihnen vielmals für Ihre Erkenntnisse!

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