Kinder brauchen Werbekompetenz! Unsere Kleinen werden von der Wirtschaft, Marketingstrategen und Werbeagenturen schon sehr früh beeinflusst um das Bedürfnis nach dem neuesten Spielzeug, Schokolade oder anderen Produkten zu wecken. Um dem entgegenzuwirken ist es sinnvoll die Fähigkeit der Kinder, Werbung zu verstehen, möglichst früh zu entwickeln. Diese sog. “Werbebildung” beeinflusst je nach Reifegrad des Kindes deren “Werbekompetenzen”. Und je höher diese ausgeprägt ist, umso wahrscheinlicher wird es, dass das Kind der Versuchung der Kinderwerbung widersteht. Doch auch dann sind Marketingstrategen der Kinderwelt weit voraus und wissen sehr wohl, wie man dennoch den Verstand des Kindes aushebelt.
Die Voraussetzung für Kinder (oder auch Erwachsene) um Werbung als solche zu erkennen um dieser zu widerstehen, ist unter Anderem ein umfassendes konzeptuelles Wissen WAS Werbung ist und WIE diese funktioniert. Dies wird in der Psychologie auch als “Werbebildung” bzw. “Werbekompetenz” bezeichnet. Je nach Reifegrad bzw. individueller Werbebildung gibt es sieben Abstufungen der Werbekompetenz:
Die 7 Stufen der kindlichen “Werbekompetenz”
- Fähigkeit Werbung als Werbung zu erkennen
- Verständnis, welcher Anbieter hinter einer Werbung steckt
- Wahrnehmung, welche Zielgruppe mit der Werbung angesprochen werden soll
- Verständnis, welche Absicht hinter der Werbung steckt (natürlich der Verkauf des Produkts, und nicht bloß zur reinen Kinderunterhaltung)
- Wissen darüber, dass Werbung versucht unsere Einstellung, unsere Emotionen und unseren mentalen Zustand zu beeinflussen um Bedürfnisse nach dem Produkt zu erwecken.
- Bewusstsein darüber, dass Werbung spezielle Strategien anwendet, damit wir ein bestimmtes Produkt idealisieren und/oder eine bestimmte Markenpräferenz (Cola oder Pepsi?) entwickeln
- Verstehen, dass das versprochene Produkt nicht immer dem Werbeversprechen gleichkommt (man verwandelt sich nicht gleich in ein Einhorn wenn man Schokolade ist). Und damit komme ich nun schon zum nächsten Punkt.
Sind werbekompetente Kinder gegen Werbung immun?
Man könnte meinen, dass wenn ein Kind (oder Erwachsener) alle sieben Werbekompetenzen besitzt, es gegen Werbung “immun” sei. NEIN, weil dann auch noch der mentale Reifegrad des Kindes die Werbekompetenz stark beeinflusst. Und von diesem hängt es ab, wie “kritisch” bzw. “komplex” die Werbung hinterfragt wird. Ob Marketingstrategen die psychologischen Mechanismen wie Werbung bei Kindern funktioniert verstehen oder nicht, sei dahingestellt. Wichtig ist für die Werbefachleute letztlich, DASS die Werbebeeinflussung funktioniert.
Wie Kinder über Werbetricks manipuliert werden
Wie vorhin beschrieben, beeinflusst der Reifegrad des Kindes (auch wenn die Werbekompetenz sehr hoch ist) sehr stark die Reaktion auf die Werbung. Und weil die Beeinflussung vieler Kinder auf diesem Weg so effektiv funktioniert, wenden Werbefirmen folgende Taktiken an:
- Heldentum: Die Kinder in der Werbung haben viel Spiel, Spaß und Abenteuer. Manchmal setzen sich die Kinder sogar gegen Erwachsene IN der Werbung durch und die kindlichen Akteure werden schließlich als “heldenhaft” erlebt.
- Mein Favorit = “magical transformations“: Das Ungeheuer naht, der Untergang steht kurz bevor. Ein Biss in die Schokolade (oder was auch immer) reicht um Superkräfte zu entwickeln oder sich in ein fliegendes Einhorn mit Regenbogenflügeln zu verwandeln. Alle anderen Kinder sind nun vor dem Ungeheuer gerettet. Spätestens jetzt klinkt sich der Verstand der Kinder aus (und die Werbekompetenzen sind hinfällig).
- Testimonials und Superhelden als Identifikationsfiguren: Kinder lieben sie alle, ihre persönlichen Heldenfiguren mit denen sie sich identifizieren können. Nicht ohne Grund finden sich in den Werbungen Spongebob, “Tony The Tiger” (Kellogs) oder Ronald McDonald.
Wie und warum diese 3 Säulen den Kindesverstand ausschalten und somit das Bedürfnis des Kindes nach dem Produkt wecken, sei für den Unternehmensmanager “wurscht”. Hauptsache das Kind WILL das Produkt. Ob die Kinder dann beginnen die Eltern zu sekkieren, zu quengeln oder sogar im Supermarkt herumzuschreien interessiert den profitorientierten Unternehmer wohl noch weniger. Doch was tut man nun, wenn sogar Werbekompetenzen nun nichts nützen?
Wann greift nun die Werbekompetenz?
Gleich vorweg, nur weil Werbekompetenzen nicht immer greifen, heißt das noch lange nicht, dass sie unwichtig seien. Vielmehr sind sie eine grundlegende Voraussetzung um einer Werbebeeinflussung zu widerstehen. Wichtig ist nun die Entwicklung der mentalen Fähigkeit “Stop-AND-Think”, um während einer Manipulation durch die Werbung die “Kette der Beeinflussung” zu durchbrechen. Denn erst wenn dieser Skill greift, dann können die Werbekompetenzen ihre Wirkung entfalten und der Werbebeeinflussung widerstehen.
Was kann man nun tun, damit sich Kinder nicht so sehr durch Werbung beeinflussen lassen?
Zum Abschluss möchte ich euch noch ein paar Möglichkeiten aufzeigen, wie Kinder ihre Widerstandskraft gegen Werbung stärken können:
- Laufendes Training der Werbekompetenz: Mit den Kindern immer wieder Aspekte der Werbung betonen um deren Werbebildung zu trainieren. Wichtig dabei ist, keinen unnötigen Druck auf die Kinder auszuüben, sondern vielmehr offen mit den Kindern über Werbemechanismen sprechen – natürlich stets altersgerecht.
- Stop-And-Think: Erst zur Zeit der Pubertät entwickelt sich das Gehirn um auch komplexes und abstraktes Denken zu ermöglichen. Es macht schon Sinn die Kinder von Zeit zu Zeit mal ins Jetzt zurückzuholen, wenn sie sich in magischer Werbung verlieren. Denn erst dann kann die bereits entwickelte Werbebildung greifen. Die Stop-And-Think Technik ist übrigens auch rasch zu erlernen.
- Am wirksamsten scheint jedoch eine allgemeine Einstellungsänderung gegen die Werbung zu bewirken und hilft auch bei weniger reifen Kindern. Die Einstellung soll dahin gesteuert werden, dass man Werbung generell kritisch gegenüberstehen sollte. Studien haben auch gezeigt, dass Kinder bei Anwesenheit der Eltern der Werbung eher kritisch gegenüberstehen, als wenn sie allein in ihrem Zimmer Kinderwerbung im TV oder am Smartphone sehen.
Ein allgemeines Mentaltraining und weiterführende Informationen findest du bei hier.
Autor: Mario Schuster
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Verwendete Literatur
Rozendaal, E., Lapierre, M., van Reijmersdal, E. & Buijzen, M. (2011). Reconsidering Advertising Literacy as a Defense Against Advertising Effects. Media Psychology, 14(4), 333-354.
Page, R. & Brewster, A. (2009). Depiction of Food as Having Drug-like Properties in Televised Food Advertisements Directed at Children: Portrayals as Pleasure Enhancing and Addictive. Journal Of Pediatric Health Care, 23(3), 150-157.