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Der Terror als Emotion – eine psychologische Betrachtung

Terror viele Blicke

Was macht das mit uns? Die meisten kennen das Terrorthema eher aus den Medien. Manche mussten solch ein gewaltvolles und verstörendes Ereignis bereits selbst ertragen. Fakt ist, dass Betroffene stark darunter leiden und häufig auch Unterstützung durch psychologische Fachkräfte benötigen. Doch was ist Terror eigentlich? Ist Terror ausschließlich an das gewaltbesetzte Ereignis gebunden oder geht es tiefer in unsere Seele? In diesem Artikel arbeite ich den Terrorbegriff auf, löse ihn vom Ereignis heraus um ihn besser aus einem psychologischen Blickwinkel betrachten zu können. Zentrales Element meines Beitrags: Die Terror Management Theory von Greenberg & KollegInnen.

Info: LeserInnen, welche aufgrund von gewaltvollen Geschehnissen der Vergangenheit psychisch beeinträchtigt, in psychologischer Behandlung oder traumatisiert sind, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass der folgende Text persönliche Erfahrungen triggern (d.h. Emotionen, Gedanken und Bilder hervorrufen) kann. Somit unterliegt das Lesen dieses Textes der eigenen Verantwortung. Am Ende dieses Artikels habe ich jedoch Kontaktmöglichen zu psychologischen Hotlines und Krisenintervention aufgelistet.

Terror als Emotion: Ein paar Fragen zum Einstieg

Gedanken infolge von Terror

Wenn du den Begriff Terror denkst, woran denkst du dann?

Und nun überlege weiter, woran denkst du noch?

Eine nicht unübliche Reaktion auf diese Frage ist, an bestimmte Ereignisse (Anschlag in Wien, Paris, New York, etc.) oder an bestimmte Personen (z.B. Terroristen) zu denken.

Emotionen, Körpergefühl und Körperreaktionen infolge von Terror

Nun die nächsten Fragen:

Was hast du dabei gefühlt?

Haben sich deine körperlichen Reaktionen verändert?

Hat sich die Körperspannung erhöht, ist der Blutdruck gestiegen und wurden deine Blicke nervös?

Wenn ja, so zeigt dies, dass Terror mehr ist als ein Wort oder ein Ereignis. Es löst etwas aus in uns: Unruhe, Angst, innere Bilder. Wenn dem so ist, dann ist das zunächst eine natürliche Reaktion, wenn dies jedoch über eine längere Zeit so bleibt, empfehle ich dir zeitnah psychologische Fachkräfte (z.B. klinische Psychologen, Therapeuten oder den Arzt) zur Bewältigung und Aufarbeitung zu kontaktieren.

Verhalten und Einstellung infolge von Terror

Hast du dir jemals die Frage gestellt, dass Terror eine Emotion ist?

Falls nein, so ist dies nicht verwunderlich, denn laut den Medien und der politischen Kommunikation sind es ja ausschließlich die Terroristen, welche für den Terror verantwortlich sind. Doch das… nun… ist nicht ganz korrekt.

Noch eine Frage:

Inwiesehr hat ein terroristisches Ereignis dein Verhalten oder deine innere Einstellung (zu etwas oder zu jemandem) verändert?

Die Terror Management Theorie

Die Terror Management Theorie (TMT; Greenberg et al., 1986) ist eine sozialpsychologische Theorie, welche sich mit den unterschiedlichen Reaktionen auf das Verhalten von Menschen im Umgang mit Todesangst und dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt.

Die TMT prüft dabei  die Rolle von zwei wesentlichen Faktoren in Wechselwirkung zur Todesangst (=Terror): 

Terror bzw. das Bewusstsein der Bedrohung des eigenen Lebens verursacht eine lähmende Angst. Deren Bewältigung von Terror als Emotion wird folgend durch Bewältigungsmechanismen wie dem Selbstwert sowie wie dem kulturellen Weltbild gesteuert.

Dieser Zugang der TMT bietet eine Erklärung für die unterschiedlichen individuellen Reaktionen hinsichtlich der Bedrohung des eigenen Lebens (=Terror) bzw. der Angst vor dem Tod. Ein Blick nach Mexiko und zum sogenannten Totenfest (Día de los Muertos) ist nur ein Beispiel von vielen, wie die kulturelle Beziehung zu Leben und Tod die erlebte Todesangst beeinflusst. Demgegenüber erklärt dies auch, weshalb ein Weltbild eines paradieschen Lebens nach dem Tod auch die Hemmschwelle einer terroristisch motivierten Selbstaufopferung (=Märtyrer) reduziert.

Ein Attentäter ist nicht automatisch Terrorist

Nun denn, Terror ist mehr als die Tat von Attentätern (welches auch im Stillen geschehen kann, jedoch eher selten) oder Amokläufern. Eine tragende Rolle spielt hierzu die Öffentlichkeitswirskamkeit eines gewaltsamen Anschlags: Erst die verbreitete Furcht und der eskalierte Schrecken machen den Attentäter zum Terroristen. Doch nur dann, wenn er auch sein eigentliches Ziel tatsächlich erreicht: eine dauerhafte Angst zu verbreiten, soziale Gruppen gegeneinander auszuspielen sowie Konflikte und gegenseitige Schuldzuweisungen zu schüren.

Doch es ist weit komplexer als das Offensichtliche: Denn psychologisch betrachtet entstehen durch derartig intensive Ereignisse auch neue Stereotype (d.h. bestimmte Merkmale des Aussehens, Herkunft oder soziale Hintergründe, usw.) welche sich in das Gehirn “einbrennen”, bestehende subjektive Einstellungen und Weltbilder werden infrage gestellt und manchmal entstehen auch Phobien (z.B. einen bestimmten Ort zu besuchen, aus dem Haus zu gehen, Personen mit bestimmten Merkmalen vermeiden, etc.).

Mediale und politische Verantwortung

Trocken formuliert tragen nun jene zum Terror (als emotionales Erleben) bei wer auch Terror (als emotional aufgeladene Information) verbreitet. Dazu zähle ich neben den Tätern von Anschlägen bzw. Attentaten ( bzw. Terroristen) selbst auch jene, die zur bewussten und kalkulierten Verbreitung von Terroremotionen beitragen. Die Betonung liegt auf bewusst und mit Kalkül mit dem Ziel Angst, Schrecken, Hass und Spaltung zu verbreiten. Solch ein perfides Verhalten kann letztlich den Interessen von machtbewussten Individuen oder extremistischen Gruppierungen dienen. Darunter können auch Politiker (insbesondere Populisten und Diktatoren), Medien und ideologisierte Gruppen fallen. Verstärkt wird dies durch postmoderne Phänomene wie Hass im Netz oder der Sucht nach mehr Klickzahlen und medialer Aufmerksamkeit.

Eine Studie von Das et al. (2009) mit Beteiligung der University of Michigan stellte im Rahmen einer Studie die Fragestellung auf, inwiefern die Form der Medienberichterstattung Vorurteile verstärkt. Dabei führten Sie in drei Studien auf Grundlage des TMT-Modells (Terror management theory) durch. Im Experiment wurden verschiedene Gruppen mit terroristischen News konfrontiert. Wie durch TMT vorhergesagt, stiegen dadurch todesbezogene Gedanken und damit verbunden auch das Bewusstsein über die eigene Sterblichkeit. Diese psychologische Erleben bzgl. der eigenen Sterblichkeit verstärkt wiederum (ebenfalls wie vorhergesagt) die Vorurteile gegenüber außenstehenden Gruppen (z.B. Minderheiten; andere Religionszugehörigkeit, bestimmte Merkmale etc.). Dieser Effekt war besonders dann stärker ausgeprägt, wenn der Selbstwert der Versuchsperson niedriger war.

Dies ist ein weiteres Argument dafür, dass Medien mit Berichten und Informationen während und nach Terroranschlägen besonders verantwortungsvoll umgehen müssten. Andernfalls wird der erlebte Terror intensiver wahrgenommen und die psychologischen Folgen bekommen mehr schädliche Tragweite. Leider hat sich beim Anschlag in Wien gezeigt, dass einige sehr große Medienanstalten sowie Social Media Accounts mit großer Reichweite eher verantwortungslos mit den tragischen Geschehnissen umgegangen sind. Neben einer Reihe an Falschmeldungen (z.B. Sprengstoffanschlag, Übertriebene Anzahl an Toten, Übertriebene Anzahl an Terroristen, etc.) wurden auch Begriffe und Bilder verwendet, welche offensichtlich dazu beigetragen haben Angst und Schrecken (also Terror) zu verbreiten als angemessen zu informieren um ein der Situation angemessenes Verhalten (sich in Sicherheit bringen) zu fördern. Das Veröffentlichen von Videos mit Schusswechseln und sichtbaren Tötungen durch große Nachrichtenportale ist nicht nur verstörend, sondern verstärkt auch das Bewusstsein der Sterblichkeit im Sinne der Terror Management Theory.

Die Rolle der Resilienz der psychologischen Terrorbewältigung

Sehr viele Menschen, auch ich persönlich, empfanden nach dem tragischen Gewaltereignis in Wien tiefe Trauer. Solch eine Trauerreaktion ist jedenfalls nachvollziehbar und natürlich, weshalb die ausgerufene 3-tägige Staatstrauer aus meiner Sicht auch angemessen war. Die Trauer ist auch wichtig um das Geschehene in Demut zu verarbeiten.

Doch in solch einer Situation ist es auch sehr wichtig hoffnungsvoll, optimistisch und humorvoll zu bleiben. Ich denke, das haben die Wienerinnen und Wiener zu großen Teilen intuitiv sehr gut gelöst. Der Grant als Innbegriff der Wiener Seele stieg rasch als kollektiver Bewältigungsmechanismus empor (#schleichdiduoaschloch). In Bezug auf die Bedeutung der Positivität gibt es auch wertvolle Studien und Erfahrungsberichte aus dem Anschlag vom 11. September 2001. Die US-Psychologin Barbara Fredrickson führte vor 911 (nineeleven) Studien zur Resilienz an US-AmerikanerInnen durch. Dies erwies sich nachträglich als wissenschaftlicher Glücksfall. Denn nach dem 11. September 2001 führten Fredrickson et al. (2003) eine Follow-Up-Studie durch um die Resilienz und das Wohlbefinden der damaligen StudienteilnehmerInnen erneut zu untersuchen. Das Studienergebnis zeigte, dass sich die resilienteren und positiver gestimmten Menschen nicht nur rascher von den Terroranschlägen in New York erholten, sondern auch eher ein psychologisches Wachstum (growth bzw. flourishing) erlebten.

Selbstfürsorge nach verstörenden Gewaltakten

Nichtsdestotrotz, ein schwer gewalttätiges Geschehnis, wie kürzlich – am 2. November 2020 – in Wien erlebt, wirkt auf Menschen in vielen Fällen verstörend, irritierend und schwer fassbar. Verständlich, und es kann die Psyche sehr belasten. Manche Menschen erholen sich davon rascher, manche trauen sich noch Monate später nicht wirklich aus dem Haus, obwohl die unmittelbare Bedrohung schon längst wieder vorbei ist.

Umso wichtiger ist es mit seinen Mitmenschen das Gespräch zu suchen und bei Bedarf auch externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch wenn die psychologische Bewältigung eine wirksame Auseinandersetzung mit dem Trauma und der Trauer bedarf, ist es ein erster Schritt Hilfe beim Arzt oder psychologischen Hotlines zu suchen, welche bei Bedarf auch an spezialisierte Stellen weiterleiten können.

Erste Ansprechstellen suchen  Krisen-Bewältigung:

Schnelle Praxistipps: Infoblatt

Psychologische Tipps zum Umgang mit den Folgen von Terrorismus

Verwendete Literatur:

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